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Leseprobe Skull 6

Stefan Burban • Aug. 25, 2024

Am Freitag erscheint endlich "Skull 6: Im Namen des Ares" als Ebook. Das Taschenbuch folgt ein wenig später. Das Hörbuch befindet sich jetzt in der Produktion. Hier eine Leseprobe:


15. März 2648

 

Lieutenant Erik Hansen schlenderte voller Selbstvertrauen durch die Korridore des Präsidentenpalais auf Reykjavík. Dieser Anbau war relativ neu, erst vor wenigen Wochen fertiggestellt. Der Flügel verlieh dem Prunkbau den Anschein, als handele es sich wirklich um einen Palast.

 

Erik behielt eine neutrale Miene bei. Tief in seinem Inneren spürte er jedoch den Stachel von Ekel und Abscheu. Dort draußen starben jeden Tag Tausende von Soldaten der Solaren Republik in einem unerklärten und sinnlosen Krieg. In einem Krieg, der niemals hätte ausbrechen dürfen. Pendergast allein trug die Verantwortung dafür. Gleichzeitig umgab er sich auf seinem ureigensten Territorium fernab der Kämpfe mit Luxus. Als könnte all der Tand den Gestank der Fäulnis in Pendergasts Innerem überdecken. Erik hatte das nicht mehr länger ertragen. Die Suche nach einem Ausweg aus diesem moralischen Dilemma trieb ihn geradewegs in die Arme von Rodney MacTavishs Widerstandsbewegung.

 


Eriks Vater war bereits Soldat gewesen und dessen Vater vor ihm. Er hätte sich selbst als Verräter sehen müssen, tat es aber nicht. Im Gegenteil. Erik war Patriot. Er liebte seine Sternennation und die Menschen, die darin lebten. Deswegen handelte er nach seinem Gewissen und tat, was er tun musste. Für ihn waren Pendergast und die verbrecherische Clique, die der Präsident um sich geschart hatte, die Verräter. Und es war seine Pflicht – als Bürger der Republik und loyaler Offizier – diesem Feind entgegenzutreten.

Bisher nur im Verborgenen. Jetzt kam der Zeitpunkt der Abrechnung näher. Und Erik hoffte inständig, er würde es noch erleben, wenn Männer wie Pendergast, Gorden und Mulligan vor Gericht standen, um ihre gerechte Strafe zu erhalten. Damit niemand jemals vergaß, dass das Streben nach Macht zulasten eines unschuldigen Nachbarn am Ende immer seinen Preis forderte.

Erik stellte in MacTavishs Organisation einen wichtigen Aktivposten dar. Als Teil der Präsidentengarde erhielt er Zugang zu Orten, an die nur wenige gelangten. Der Lieutenant war einer der höchstrangigen Agenten, die der Widerstand hatte rekrutieren können. Und am heutigen Tag würde Erik ein weiteres Mal seinen enormen Wert unter Beweis stellen.


Die Männer und Frauen in den prunkvollen Ausgehuniformen der Garde, die dem Offizier begegneten, nickten ihm respektvoll zu, jedenfalls die mit demselben Rang. Die rangniederen salutierten, wie es sich gehörte.

 

Niemand störte sich an seiner Anwesenheit. Warum auch? Er gehörte hierher – auch wenn die Uhrzeit unter Umständen ihr Misstrauen hätte wecken können. Der Trick daran war, vorzugeben, seine Anwesenheit sei das Natürlichste von der Welt.

 

Erik hatte sein Ziel fast erreicht. An der letzten Ecke vor Pendergasts Büro stockten seine Schritte. Der Lieutenant zog sich ein wenig zurück. Peter Mulligan, der persönliche Assistent Pendergasts, verließ die Räumlichkeiten seines Herrn und Meisters und schloss leise die Tür hinter sich.

 

Der Mann studierte einige Dokumente auf seinem Pad. Er sah kaum auf und wäre deswegen um ein Haar mit einer zwei Meter großen Zimmerpflanze kollidiert. Erik verkniff sich den Drang zu lächeln. Mulligan war überaus gefährlich, auch wenn er nicht danach aussah. Man durfte ihn keinesfalls unterschätzen.

 

Mulligan nahm einen Gang, der ihn von Erik wegführte. Der Lieutenant atmete erleichtert auf. Verstohlen sah er sich um. Es war niemand zu sehen, weder Agenten des Secret Service noch Soldaten der Präsidentengarde. Beides deutete darauf hin, dass Pendergast nicht zugegen war. Perfekt.

 


Der gesamte Flügel wurde scharf kontrolliert, weshalb die nächtliche Anwesenheit von Schutzpersonal vor dem Büro nicht als notwendig erachtet wurde. Dass Unbefugte derart tief in Pendergasts Allerheiligstes vordrangen, war undenkbar, geradezu lachhaft. Wenn er seinen Job richtig machte, dann würde niemand je erfahren, dass er hier gewesen war. Alles andere hätte den sicheren Tod bedeutet.

Erik gab an der Tastatur den ihm zugeteilten Sicherheitscode ein. An-schließend scannte das Gerät Retina sowie seine Fingerabdrücke. Nacheinander leuchteten mehreren Dioden grün auf und das Schloss entriegelte mit hörbarem Klicken. So weit, so gut.

Erik durfte nicht vergessen, die Zugangsdaten wieder zu löschen, sobald er fertig war. Sollte wider Erwarten der Einbruch bemerkt werden, könnte man anhand dieser Protokolle sonst problemlos feststellen, um wen es sich bei dem Eindringling handelte.


                             


Der Lieutenant schlich sich in das Büro und schloss die Tür hinter sich so geräuschlos wie möglich. Seine Kehle fühlte sich staubtrocken an. Das Gefühl, von allen Seiten durch unsichtbare Augen belauert zu werden, war überwältigend.

 

Erik trat eilig hinter den Schreibtisch und durchforstete die Akten. Pendergast benutzte weitestgehend digitale Dokumente. Nacheinander steckte der Offizier die Speichervorrichtungen in die entsprechende Öffnung des mitgebrachten Pads. Das meiste davon war völlig irrelevantes Zeug.

 

Einiges war aber durchaus interessant. Es gab Berichte von der Front, geplante Truppen- und Flottenbewegungen und auch Prognosen über neu eingerichtete Nachschubrouten sowie Schriftverkehr mit den CEOs wichtiger Rüstungsfirmen.

 

Eriks Mundwinkel zogen sich leicht nach oben. Die Lage der Republik war weitaus prekärer als nach außen hin sichtbar. Die CEOs beklagten die schwindenden Ressourcen sowie die von der Regierung geforderten kürzeren Lieferzeiten.

 

Der Krieg verschlang Unsummen an Geld und Rohstoffen. Darüber hinaus fehlte es in den Fabriken an fachkundigem Personal durch die zahlreichen Mobilisierungswellen. Pendergast warf alles, was er an Menschen einziehen konnte, an die Front.

 

Ironischerweise lag die Arbeitslosenquote praktisch bei null. Es herrschte buchstäblich Vollbeschäftigung. Jeder Bürger wurde ange-halten, seinen Beitrag zu leisten. Alles andere wurde als unpatriotisch angesehen. Entsprechende Elemente der Gesellschaft mussten in der Folge mit Repressalien rechnen, und das noch nicht einmal von der Regierung, sondern von Nachbarn und der Verwandtschaft.

Die meisten zogen es daher vor, sich entweder zum Militär zu melden oder ihre Arbeitskraft den zahlreichen Rüstungsfirmen zur Verfügung zu stellen. Und dennoch reichte es immer noch nicht aus. Die Wirtschaft der Solaren Republik stand vor dem Kollaps.

 


Pendergasts Kriegsanstrengungen glichen einem Kartenhaus. Wenn man es geschickt anstellte, würde es unweigerlich in sich zusammenbrechen. Die Aktionen des Präsidenten gegen das Königreich waren als Blitzkrieg geplant gewesen. Dieser scheiterte kläglich. Der Kriegsgegner der Solaren Republik spielte auf Zeit und sie begann, für die Royalisten


 


zu arbeiten. Zwar im Moment noch unmerklich, aber die Zeiger der Uhr beschleunigten bereits ihr Tempo. Die Royalisten mussten lediglich noch ein wenig länger durchhalten. MacTavish würde sich brennend für diese Informationen interessieren.

 

»Haben Sie Wertvolles gefunden?«, fragte ihn eine Stimme betont freundlich. Erik schreckte auf.

 

Im Türrahmen stand Vincent Burgh. Der Mann besaß keinen offiziellen Status. Aber jedermann wusste, dass er Pendergasts Mann fürs Grobe war. Sein Leibwächter. Sein Spion. Sein Attentäter.

Erik richtete sich zu voller Größe auf und öffnete den Mund. Burgh gebot dem Lieutenant mit erhobener Hand Einhalt. »Geben Sie sich keine Mühe. Es dürfte Ihnen schwerfallen, Ihre Anwesenheit zu erklären. An diesem Ort. Zu dieser Zeit.«

 

Erik schloss seine Kiefer wieder. Burgh trat näher, ließ dabei den Gardeoffizier nicht aus den Augen. »Ich sollte mich bei MacTavish entschuldigen«, spann der Attentäter den Faden weiter. »Ich hätte nie gedacht, dass er einen Agenten dermaßen tief in den Schaltzentralen der Macht besitzt.«

 

Eriks Gedanken rasten. Er fragte sich, wie der Mann von seiner Anwe-senheit erfahren hatte. Dass Burgh aus purem Zufall plötzlich auftauchte, das glaubte er keinesfalls. Erik ließ die Schultern sacken. Eigentlich spielte es auch keine Rolle. Er war schachmatt – und beide wussten es.

 

Die Resignation musste sich auf seinem Gesicht widergespiegelt ha-ben, denn Burghs Lippen teilten sich zu einem triumphierenden Grinsen. »Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie nicht vorhaben, Ihre Haut zu retten, indem Sie mir etwas von Wert verraten? Den Aufenthaltsort von MacTavish zum Beispiel? Das wäre ein wirklich exquisiter Verhandlungsgegenstand.«

 

Eriks Körper versteifte. Er presste die Kiefer dermaßen fest aufeinander, dass die Zähne schmerzten.

 

»Hatte ich auch nicht erwartet«, entgegnete Burgh, der die Körpersprache des Mannes folgerichtig interpretierte. »Aber wir haben Mittel und Wege, auch die verstockteste Zunge zu lösen.«

 

Die Vorstellung löste Panik in Erik aus. Seine Eingeweide schienen sich zu verknoten. Ja, Pendergasts Leute standen in dem Ruf, über ent-sprechende Wege und einen völligen Mangel an Moral zu verfügen. Wo


 


MacTavish sich aufhielt, wusste er nicht. Wohl aber unterhielt er Kontakt zu Agenten, die möglicherweise über diese Information verfügten. Sie durften keinesfalls in Gefangenschaft geraten. Und das bedeutete, er durfte keinesfalls in Gefangenschaft geraten.

 


Es ging alles ganz schnell. Erik zog die Neunmillimeter aus dem Holster in einer vollendet fließenden Bewegung. Beim Schießtraining hatte er sich nie besonders hervorgetan. Dennoch konnte man ihm ein gewisses Talent nicht absprechen. Um Zeit zu sparen, schoss er aus der Hüfte. Ein Knall hallte durch den Raum.

 

Für einen winzigen, glorreichen Augenblick glaubte er, Burgh erwischt zu haben. Der Mann hatte sich kaum bewegt. Dann erinnerte er sich an einen zweiten Knall, der beinahe parallel zum ersten erfolgt war.

 

Der Schmerz trat langsam zutage. Erik sah an sich herunter und bemerkte erst jetzt den roten Fleck auf seiner Brust, der sich langsam ausbreitete und die makellose Uniform tränkte.

 

Der Lieutenant schwankte. Die Waffe entglitt Fingern, die nicht länger in der Lage waren, ihr Gewicht zu halten. Erik bemühte sich darum, aufrecht zu bleiben, fand sich allerdings unversehens rücklings auf dem Boden liegend wieder.

 

Burghs Gestalt ragte über ihm auf. Das unbewegte Gesicht des Attentäters starrte auf Erik herab und sah ihm beim Sterben zu.

 

»Was für ein Jammer«, hörte Erik Burghs Stimme wie aus weiter Ferne. »Sie waren ein guter Mann.«


 

 

Montgomery Pendergast, Präsident der Solaren Republik, saß in seinem Büro in der präsidialen Residenz in Reykjavík. Es war eines der best-gesicherten Gebäude aller bekannten Welten. Die Insel Island wurde geschützt durch eine Division seiner besten Truppen, außerdem von schweren Geschützen, die sogar Raumschiffe aus dem Orbit holen konnten, und einer Flugverbotszone, die allen Eindringlingen ein schnelles Ende versprach.

 

Dennoch hätte er sich kaum verwundbarer fühlen können. Der rote Fleck unmittelbar zu seinen Füßen war eine unwillkommene Erinnerung daran, dass man vor Verrätern niemals wirklich sicher sein konnte.


 


Die Morgensonne schien durch das Oberlicht und tauchte das Büro in seinen sanften Schimmer. An




jedem anderen Tag hätte der Präsident sich davon beruhigen lassen. Nicht aber heute. Vor ihm standen



zwei Männer in der Uniform der Raumflotte, beides ranghohe Offiziere. Den einen machte Pendergast für



 die Misere, in der sie sich befanden, verantwortlich. Der andere sollte den Karren aus dem Dreck ziehen.


 

Die Admiräle waren nicht wirklich zugegen. Man hatte sie über eine Stafette von Satelliten als Hologramm zur Heimatwelt der Republik durchgestellt. Ein äußerst kostspieliger Vorgang, Pendergast hatte das Finanzielle aber zähneknirschend durchgewunken. Er wollte mit den beiden Auge in Auge sprechen, damit sie begriffen, was er von ihnen erwartete und wie ernst es ihm war, wenn es um zu erwartende Konse-quenzen im Falle ihres Scheiterns ging.

Zur Linken stand das holografische Abbild Großadmiral Gale Shep-pards. Der Mann hatte sich vor einigen Monaten mit dem Rest der 3. Flotte nach Castor Prime zurückgezogen und leckte seitdem seine Wunden. Nach der Schlappe bei Selmondayek vor einem Dreivierteljahr hätte man meinen können, der Mann trete etwas bescheidener auf. Dem war leider nicht so. Man hätte beinahe den Schluss ziehen können, Sheppard wäre der Meinung, er trage keine persönliche Verantwortung an dieser verheerenden Niederlage.

 

Sheppard gehörte zum alten Schlag. Er war einer der wenigen, die von der alten Garde noch übrig waren. Der Mann war ein Relikt aus der Zeit vor Pendergasts Machtergreifung. Der Präsident hatte es noch nicht geschafft, ihn loszuwerden. Das stand aber ganz oben auf seiner To-do-Liste. Jetzt mehr denn je.

 

Der Blick des Präsidenten richtete sich auf den Mann zur Rechten, Großadmiral Harriman Gorden. Er teilte sich mit Sheppard das Ober-kommando über die solarischen Streitkräfte. Im Gegensatz zu diesem Versager war Gorden einer von Pendergasts bevorzugten Günstlingen. Er hatte ihn persönlich in diese Position erhoben. Die Loyalität Gordens war über jeden Zweifel erhaben. Außerdem besaß der Admiral einen Hang zur Gewalt, der seinesgleichen suchte. Pendergast bewunderte so was. Es brachte oftmals bessere Ergebnisse hervor als der von falscher Ehrauffassung geprägte Charakter Sheppards.

Gorden gehörte darüber hinaus einer Splittergruppe innerhalb der


 
solaren Streitkräfte an. Ihre Existenz war ein offenes Geheimnis, das niemand wagte, unverhohlen zur


 Sprache zu bringen. Sie nannten sich die Söhne des Ares. Sie verehrten den altgriechischen Kriegsgott, als


 würde er tatsächlich existieren. Im Prinzip vereinigten sie den Charakter einer Sekte in sich. Die Mitglieder


der Söhne des Ares hielten es für ihr Recht, nein, sogar ihre erklärte Pflicht, die Grenzen der Solaren Republik


 in alle Richtungen auszudehnen, bis sämtliche Sternennationen unter dem Banner der Republik vereint


waren.

 


Es handelte sich um einen verrückten Haufen. Sie lieferten aber Fortschritte und nur das zählte.

Pendergast hatte Gorden sogar ein neues Großschlachtschiff, mit dem Namen Ares, spendiert. Sein altes


Flaggschiff Wladiwostok war an einen rangniederen Commodore weitergereicht worden.


 

Pendergast zog den Moment, in dem er gedachte, das Gespräch zu eröffnen, noch ein klein wenig hinaus. Er genoss es, seine Untergebenen schwitzen zu lassen. Gordens Visage zeigte ein überhebliches Grinsen. Er musste sich keine Sorgen machen und er war sich dessen im Klaren. Shep-pard stand unbewegt wie eine Statue im Raum. Er verzog keinen Muskel. Genauso gut hätte er eine Sphinx sein können. Der Mann war entschlossen, Pendergast nicht die Genugtuung zu gönnen, sich unbehaglich unter dessen Blick zu winden.

 

Der Präsident verzog mürrisch die Gesichtszüge. Nicht einmal zu seiner Belustigung taugte Sheppard noch etwas. Pendergast entschied, es gut sein zu lassen. Er richtete sich kerzengerade auf dem Stuhl auf.

 

»Nun, meine Herren. Wer will den Anfang machen?«

 

Keiner der Offiziere rührte sich. Pendergast kniff leicht die Augen zusammen. Seine Aufmerksamkeit fokussierte sich auf Sheppard. Falls überhaupt möglich, stand der Großadmiral noch steifer im Raum als zuvor.

 


»Bericht, Sheppard!«, forderte der Präsident mit fester Stimme. »Meine Streitkräfte sind immer noch mit dem Wiederaufrüsten beschäftigt«, erklärte der Großadmiral nach kurzem Zögern. »Wir stehen derzeit bei einer operativen Gefechtsstärke von annähernd sechzig Prozent.«


 

»Das ist nicht sehr befriedigend, Gale«, meinte Pendergast. Indem er zur vertraulichen Anrede überging und den Rang des Flottenoffiziers


 
gänzlich außen vor ließ, demütigte er den stolzen Mann weiter. Vor allem in der Anwesenheit seines



 Amtskollegen. In der Art und Weise, wie Sheppards Gesicht vor Zorn rot anlief, erkannte der Präsident, dass


sein Pfeil das Ziel getroffen hatte.


 

»Wir wären bereits wesentlich weiter, wenn nicht der Großteil des von mir angeforderten Personals und Materials umgeleitet werden würde.« Der Großadmiral vermied es angestrengt, Gorden einen anklagenden Blick zuzuwerfen. Trotzdem war klar, wen er für die Defizite der 3. Flotte verantwortlich machte.

 

»Und die Ausrüstung, die es tatsächlich zu uns schafft, ist bestenfalls drittklassig«, fuhr Sheppard fort. »Sie muss oftmals vor dem offiziellen Eingliedern in meine Verbände von den Technikern aufwendig überholt werden. Die Mängel sind zu gravierend, als dass wir die Ersatzteile, Fahrzeuge und Schiffe blindlings in den aktiven Dienst übernehmen können. Darüber hinaus sind die uns zugeteilten Soldaten nicht gerade Elite-Material.«

 


Pendergast warf dem Admiral einen scharfen Blick zu. »Ausreden interessieren mich nicht. Ich will, dass die 3. Flotte wieder voll einsatz-fähig wird. Wie Sie das mit den Ihnen zugeteilten Ressourcen schaffen, bleibt Ihnen überlassen. Aber solange Ihre Einheiten dermaßen unzureichend auftreten, bleiben Sie über Castor Prime. Ab sofort ist die 3. Flotte bis auf Weiteres für den Schutz des königlichen Hauptsystems zuständig. Ich hoffe schwer, dass Sie zumindest damit nicht überfordert sind.«

 

Sheppard holte tief Luft. Dem Mann war anzusehen, dass ihm allerhand auf der Zunge lag. Pendergast ließ es gar nicht erst so weit kommen und wandte sich dem zweiten Großadmiral zu.

 

»Wie ist die Lage bei Ihnen, Gorden?«

 

Der Flottenoffizier lächelte herablassend. »Meine Streitkräfte sammeln sich derzeit im Tirold-System. Und wir sind – was Kampfkraft anbelangt – bei annähernd hundert Prozent.«

 

Pendergast nickte und bedeutete Gorden, mit einer wortlosen Geste fortzufahren. Der Mann hob arrogant das Kinn.

 

»Die Fortschritte der königlichen Streitkräfte sind recht bemerkens-wert. Seit der Niederlage bei Selmondayek sind sieben weitere Systeme in ihre Hand gefallen, und das in weniger als neun Monaten. Nur zwei


 von ihnen sind bewohnt, aber selbst die unbewohnten bieten dem Gegner taktische Vorteile. Er kann sich


 dadurch freier zwischen seinen Erobe-rungen bewegen, ohne auf unseren Sensoren aufzutauchen.


Außerdem bemannt er sie mit Stützpunkten und Nachschubdepots, um sein weiteres Vorgehen zu


unterstützen.« Der Großadmiral machte eine kurze Pause. »Die Royalisten waren schon auf den Knien, aber


sie entwickeln sich mit rapider Geschwindigkeit zum Ärgernis. Ich habe vor einzugreifen, bevor sie vom


Ärgernis zum ernsten Problem werden.«

 


»Aus meiner Sicht sind sie das schon, aber sprechen Sie weiter.« »Der Unmut in der Bevölkerung wächst«, spann Gorden den Faden

weiter. »Selbst auf Welten, die ursprünglich unser Erscheinen feierten, brechen neuerdings Unruhen aus. Das ist das eigentliche Problem.«

Pendergast beugte sich interessiert vor. »Und was schließen Sie daraus?«

 

»Prinz Calvin hat eine gute Geschichte. Er führt einen aussichtslosen Kampf gegen ein böses Imperium – und er gewinnt. Diese Nachricht wird überall im Königreich verbreitet. Wir kontrollieren sämtliche Nachrich-tenwege, aber sie sickert trotzdem durch. Und überall, wo sie gehört wird, fällt sie auf fruchtbaren Boden. Wie könnte sie auch nicht? Der tapfere Prinz, der alles verloren hat, kämpft, um sein Volk und seine Heimat zu befreien. Das ist inspirierend.«

Pendergast wurde zunehmend frustriert. »Und wie wollen Sie dagegen angehen?«

 

»Ich zerstöre erst seine Geschichte, bevor ich den Mann selbst zerstöre.« Die Ankündigung war ebenso schlicht wie unmissverständlich. Pendergast war beeindruckt.

 

»Mehr muss ich nicht hören. Sie erhalten freie Hand. Das Königreich ist unsere Kriegsbeute und die gebe ich nicht wieder her. Unterwerfen Sie dieses Pack. Die hierfür notwendigen Mittel sind mir gleichgültig.« Gorden nickte mit grausamem Grinsen. Sheppards schockierter Blick zuckte zwischen den beiden Männern hin und her. »Bei allem Respekt,

Mister Präsident, das können Sie unmöglich absegnen.«

 

»Wieso denn nicht? Für mich hört sich das alles schlüssig an.«

 

»Gorden ist ein Metzger«, brach es aus dem Großadmiral heraus. »Sein Plan sieht mit Sicherheit Repressalien gegen die Zivilbevölkerung vor. Das widerspricht sämtlichen gängigen Kriegskonventionen.«


 



»Wenn mein geschätzter Kollege zu zart besaitet ist für das, was im Krieg getan werden muss, dann


sollte er sich zur Ruhe setzen und die Angelegenheit fähigeren Händen überlassen«, warf Gorden süffisant


ein.

 

Sheppard platzte schier der Kragen. »Es gibt einen Unterschied zwischen einem fairen, ehrlichen Kampf und purer, sinnloser Gewalt, Sie Psychopath.«

 

»Das reicht jetzt!«, ging Pendergast dazwischen. Die Großadmirale verfielen in Schweigen. »Ich habe genug gehört. Gorden, fahren Sie mit Ihrem Plan fort. Aber ich will zeitnah Ergebnisse sehen.« Er widmete sich Sheppard. »Und Sie halten Castor Prime. Ich will dort keinerlei Überraschungen erleben.«

 

Die zwei Flottenoffiziere nickten unisono.

 

»Das wäre alles, meine Herren.« Die Hologramme erstarrten, als die Großadmirale die Verbindung von ihrer Seite der Übertragung aus been-deten. Pendergast streckte die Hand nach dem entsprechenden Schalter aus, um die Kommunikation auch von seiner Seite zum Erliegen zu brin-gen. Eine Stimme hielt ihn davon ab.

»Schwer ist das Haupt, das eine Krone drückt.«

 

Der Präsident sah mit verkniffener Mimik auf. Vincent Burgh marschierte entspannt durch die Hologramme hindurch und blieb vor seinem Arbeitgeber stehen.

 


Pendergast führte die Bewegung zu Ende und die Hologramme der beiden Flottenadmirale fielen endgültig in sich zusammen. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Burgh wurde ihm zunehmend unheimlich. Und bei Pendergasts Vita mochte das schon was heißen. Seine rechte Hand streichelte die Neunmillimeter, die er unter dem Schreibtisch versteckt hielt.

 

»Vor der Tür stehen ungefähr zwanzig Secret-Service-Agenten. Wie gelingt es Ihnen, dermaßen ungestört in mein Arbeitszimmer vorzudringen?«

 

Der Attentäter grinste über das ganze Gesicht. »Dafür bezahlen Sie mich, nicht wahr? Um dorthin zu gehen, wo ich eigentlich nichts zu suchen habe. Und die Bezahlung ist sogar recht umfangreich, wenn ich das anmerken darf. Kunden, die gut bezahlen, bekommen von mir das Rundumsorglospaket.«

 

»Das bezieht sich kaum auf meine Räumlichkeiten.«



Burgh zuckte die Achseln. »Wenn Sie es wünschen, dann kann ich mich zukünftig auch bei Ihrer Sekretärin anmelden. Ganz offiziell. Wo mich jeder sehen kann. Menschen reden gern. Manchmal sogar Secret-Service-Agenten. Hin und wieder reden sie sogar mit der Presse. Und es gibt tatsächlich noch Reporter, die nicht auf Ihrer Lohnliste stehen, Mister President.« Die letzten zwei Worte klangen wie Hohn aus dem Mund dieses Mannes.

 


»Schon gut, schon gut«, wehrte Pendergast ab. »Ich habe verstanden.« Er warf einen Blick auf den Blutfleck. »Außerdem stehe ich anscheinend in Ihrer Schuld.«

 

Burgh kommentierte das Eingeständnis des Präsidenten mit breitem Lächeln.

 

»Also, was wollen Sie?«, hakte der Präsident nach.

 

»Der Widerstand ist recht aktiv neuerdings. Die Allianz zwischen MacTavish und den Yakuza ist für die Rebellen von großem Vorteil. Leider widersetzen sie sich hartnäckig jedem Versuch, sie endgültig zu eliminieren.«

 

»Der Widerstand bereitet dem Militär ernsthafte Probleme«, gab Pendergast zu. »Aber das gehört in Ihr Ressort. Finden Sie sie und machen Sie diese Kakerlaken unschädlich.«

 

»Genau das führt mich her«, beschied Burgh. »Ich plane eine neue Säuberungsaktion. Sie wird nicht leise stattfinden und sie wird nicht hübsch werden. Ich wollte mir vorher von Ihnen grünes Licht einholen.« Pendergast musterte sein Gegenüber mit funkelnden Augen. »Wie Sie bereits sehr richtig erwähnten, bezahle ich Sie gut. Also lösen Sie das Problem. Um die öffentliche Wahrnehmung kümmere ich mich. Die Bevölkerung der Solaren Republik wird genau das denken, was ich ihr in den Kopf setze. Kümmern Sie sich lediglich um diesen MacTavish und

 


seine Schmeißfliegen.«

 

Das Grinsen kehrte auf Burghs Antlitz zurück. »Genau das wollte ich hören, Mister President.«

 

»Aber die Säuberungsaktion überlassen Sie einem Ihrer Leute. Ich habe eine andere Aufgabe für Sie. Eine ungleich wichtigere.«

 

Der Themenwechsel irritierte den Attentäter. »Was könnte wichtiger sein als MacTavish und sein Widerstand selbst ernannter Moralapostel?«

 

»Apollo und Merkur«, schoss Pendergast zurück.



Bei der Erwähnung der letzten überlebenden Mitglieder des Zirkels verflog sogar Burghs spöttische Ader. »Sind die beiden etwa immer noch nicht tot?«

 

»Nein«, bestätigte Pendergast. »Und mir wurde durch einige Agenten zugetragen, dass die Royalisten ein Einsatzteam zusammenstellen, das sich auf die Suche nach ihnen machen wird. Seit der Zerstörung von Zirkel und Konsortium sind beide untergetaucht. Unser Geheimdienst konnte sie noch nicht aufstöbern. Es ist zwar unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich, dass einer oder beide den Royalisten in die Hände fallen. Und ich muss wohl nicht extra betonen, was das für uns bedeuten würde.«

 

»Das wäre eine propagandistische Katastrophe«, erklärte Burgh. »Die hätten eine Menge zu erzählen.«

 

Pendergast nickte. »Ich will, dass ihr Wissen begraben wird. Gemeinsam mit den Männern. Für immer.«

 

Der Attentäter nickte wortlos, drehte sich um und spazierte ohne eine weitere Bemerkung davon. Die Vorfreude hatte ihn bereits gepackt. Die Jagd begann.



 

 

 

»Alles hört auf mein Kommando …«, brüllte der Unteroffizier. »Aaachtung!«

 

Zweihundert Stiefelpaare fielen im selben Augenblick an ihren Platz, was ein knallendes Geräusch auslöste. Commodore Edmund Lord Devonshire war aschfahl, als dreihundertfünfzig Särge auf dem Bestattungsdeck des Großschlachtschiffes HMS Casablanca in Position geschoben wurden.

 

Alle waren mit einer Flagge des Vereinigten Kolonialen Königreichs bedeckt. Aber nicht alle verfügten über einen Inhalt. In manchen Fäl-len – wie zum Beispiel bei Jägerpiloten – fand man nicht mehr genug Überreste, um damit einen Sarg zu füllen. Daher legte man eine Uniform des Betreffenden hinein. Diese dreihundertfünfzig Seelen waren allein in den letzten zehn Stunden gefallen. Das Lowby-System stand immer noch unter Belagerung. Nach fast einem Jahr Krieg war noch keine Änderung eingetreten.


 


Der Militärkaplan begann mit der Predigt. Devonshire hörte kaum zu.

 

Seine Gedanken bewegten sich in höheren Sphären.

 

Die Solarier trauten sich nicht, das innere System anzugreifen. Noch nicht. Stattdessen begnügten sie sich damit, von ihren befestigten Stellungen aus die Verteidiger mit Unmengen an Raketen und Torpedos einzudecken. Dieser Taktik lag ohne Zweifel der Zweck zugrunde, das System sturmreif zu schießen.

 

Die Verteidiger wendeten enorme Mittel dafür auf, die ständigen Angriffe abzuwehren. Sie verschossen jeden Tag Tonnen an Munition. Ihre Magazine waren zu Beginn des Krieges prall gefüllt gewesen. Inzwischen war der Bestand empfindlich geschrumpft. Die Angreifer kosteten die Verteidiger Leben und Ressourcen. Die Magazine würden sich über kurz oder lang leeren. Nicht heute und nicht morgen, aber schon sehr bald.

 


Sobald die Solarier mitbekamen, dass die Belagerten die einkommenden Geschosse nicht mehr abfingen, würden sie wissen, dass der Augenblick zum Zuschlagen gekommen war. Die folgende Invasion des inneren Systems wäre mit einer Heuschreckenplage vergleichbar. Devonshire wurde schlecht, wenn er nur daran dachte.

 

Sein Blick fiel auf einen besonders auffällig geschmückten Sarg. Er enthielt die sterblichen Überreste von Flottenadmiral Martin Lord Hahrburg. Der Kampfkommandant des Lowby-Systems war gemeinsam mit annähernd jedem höheren Offizier vor fast einem Jahr einem Attentat solarischer Saboteure zum Opfer gefallen. Seither hatte er im Koma gelegen. Bis vor zwei Tagen, als er des Nachts plötzlich seinen Verletzungen endgültig erlegen war.

 

Bisher hatte das operative Kommando der Verteidigung des Systems de facto in Devonshires fähigen Händen gelegen. Nun ging es offiziell auf ihn über. Er war jetzt der ranghöchste überlebende Offizier vor Ort. Bei dem Gedanken drehte sich ihm der Magen um. Er hätte sich am liebsten übergeben.



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